Brustkrebs: Wenn die Lebensfreude siegt
Andrea Meng bekommt Anfang Juli 2016 die Diagnose Brustkrebs – mit gerade mal 39 Jahren. Die junge Mutter hat die Herausforderung angenommen und kämpft gegen die Krankheit: mit ihrer Familie, tollen Freunden und einer zünftigen Portion Lebensfreude.
Ich sitze im Café Treffpunkt im Spital Langenthal, als eine junge Frau lächelnd auf mich zukommt – das muss sie sein, Andrea Meng. Und ich staune nicht schlecht: Ich wäre nie auf die Idee gekommen, dass diese strahlende, junge Frau gerade ein paar Monate Chemotherapie hinter sich hat. Wir setzen uns und sie erzählt mir ihre ganz persönliche Geschichte.
«Der 4. Juli 2016 ist der Tag, der mein Leben verändert hat», erinnert sie sich. Am Abend dieses Tages entdeckte sie eine Stelle an ihrer rechten Brust, die sich irgendwie anders anfühlte. «Das hatte ich bisher nie bemerkt, obwohl ich beim Duschen regelmässig meine Brüste abtaste. Diesmal lag ich im Bett auf der Seite und daher fühlte sich diese Stelle eigenartig hart an.»
Tausend Gedanken
Gleich am nächsten Morgen ruft sie ihre Gynäkologin in der Frauenklinik im Spital Langenthal an und bekommt sofort einen Termin für den nächsten Tag. «In diesen zwei Tagen sind mir tausend Gedanken durch den Kopf gegangen – von Krebs bis ganz harmlos. Und der schlimmste Gedanke war: Wächst mein Kind nun ohne mich auf?»
«Meine Ärztin riet mir davon ab, mich im Internet schlau zu machen. Für diesen Rat bin ich ihr im Nachhinein sehr dankbar.»
Im Spital wird ein Ultraschall gemacht, danach eine Mammografie und anschliessend gleich eine Biopsie. Diese Gewebeprobe wird im Labor untersucht und Andrea Meng bekommt fünf Tage später Bescheid. «Ich fühlte mich in dieser Zeit so hilflos», schildert sie diese Tage. «Man hört viel Negatives im Zusammenhang mit Brustkrebs und ich selber hatte bis zu diesem Zeitpunkt nur wenig Informationen. Meine Ärztin riet mir davon ab, mich im Internet schlau zu machen, da es zwar gute und informative Seiten gibt, aber eben auch viele Informationen, die einem Angst machen können. Für diesen Rat bin ich ihr im Nachhinein sehr dankbar.»
Da es in der Familie keine Vorgeschichte zu Brustkrebs gibt, hofft Andrea Meng bis zum letzten Moment, dass es vielleicht doch nur eine harmlose Zyste sein könnte. Doch das Gespräch mit ihrer Ärztin nimmt einen anderen Verlauf. «Sie hat mir mitgeteilt, dass ich einen sehr bösartigen Tumor in meiner Brust habe, der möglichst schnell entfernt werden müsse. Das hat mich zwar in dem Moment ziemlich getroffen.
Aber dadurch, dass meine Ärztin sofort mögliche Massnahmen zur Behandlung aufgezeigt hat, habe ich die Diagnose relativ gefasst aufgenommen.»
Der Chemo-Kasper
Nach und nach erfahren auch ihre Familie und Freunde von der Diagnose, unter anderem auch eine Freundin, die in der Krebsforschung arbeitet. Sie bringt Andrea ein Kinderbüchlein über den Chemo-Kasper, in dem die Krankheit Krebs wie auch die Behandlung sehr anschaulich und verständlich erklärt werden. «Dieses Buch hat uns allen geholfen, aber ganz besonders meiner 8-jährigen Tochter. Als wir ihr gesagt haben, dass Mama Brustkrebs hat, wurde sie sehr wütend, dass es ausgerechnet ihre Mama sein muss, die diesen blöden Krebs hat. Sie brauchte einige Tage, in denen sie nur wenig gesprochen und das für sich verarbeitet hat», erzählt Andrea nachdenklich. «Ich hätte ihr das gerne erspart, andererseits bekommen Kinder viel mehr mit, als man denkt. Und wir wollten sie nicht ausgrenzen.»
Vor der geplanten Operation im Spital Langenthal werden noch einige Röntgenuntersuchungen gemacht zur Prüfung auf eventuell vorhandene Metastasen. «Dieser Befund war zum Glück negativ, also keine Metastasen. Ende Juli bin ich dann operiert worden. Die OP ist problemlos verlaufen und inzwischen ist alles prima verheilt.»
Schritt für Schritt
Ihr Partner begleitet Andrea zu allen wichtigen Terminen. «Meine Ärztin hat uns Schritt für Schritt erklärt, was bei mir gemacht und was mit mir passieren wird, vor allem während der Chemotherapie. Diese detaillierten Informationen haben uns geholfen, uns auf das vorzubereiten, was auf uns zukommen würde, auch wenn es manchmal recht viel auf einmal war, was wir zu verarbeiten hatten.»
Die erste Chemo habe ihr am meisten zugesetzt, erzählt Andrea. «Ich war wirklich k.o. und zwar im wahrsten Sinn des Wortes. Ich brauchte fast 10 Tage, um mich wieder einigermassen zu erholen. Drei Wochen nach der ersten folgte die zweite Chemo, die ich aber deutlich besser vertrug, da ich vor allem die Medikamente gegen Übelkeit besser dosieren konnte.» Und sie lässt sich nicht unterkriegen. Wenn sie sich gut fühlt, geht sie raus an die frische Luft, geht mit einer Freundin spazieren oder ins Café, spielt mit ihrer Tochter und geniesst das Leben.
Abschied
Doch dann geschieht das, wovor Andrea sich gefürchtet hat: Sie beginnt, Haare zu verlieren. «Dieser Abschied war schwierig. Zwar hatte ich mir schon nach der ersten Chemo vorsichtshalber eine sehr schöne Perücke gekauft, die meiner Frisur sehr nahe kam. Trotzdem war der Abschied von meinen Haaren ein einschneidendes Erlebnis.» Ihre Coiffeuse bietet ihr einen Termin nach Feierabend an. Sie nimmt das Angebot an, in Begleitung ihres Partners und ihrer Tochter.
«Meine Coiffeuse hat das mit enorm viel Mitgefühl gemacht. Die Haare wurden mit der Schere geschnitten, immer kürzer und immer kürzer, bis sie nur noch etwa einen Zentimeter lang waren. Da standen bei uns allen die Tränen in den Augen.» Doch auch dies schmälert Andreas Lebensfreude nicht. Sie trägt ihre Perücke, lacht wieder und sieht fast aus wie vorher.
Weitere Veränderungen
Nach sechs Wochen und zwei weiteren starken Chemos beginnt der zweite Teil: drei Monate mit einer wöchentlichen, weniger starken Chemo. «Diese Zeit hat einige körperliche Veränderungen mit sich gebracht: Unter anderem hat sich mein Geschmackssinn verändert und das Gefühl in meinen Füssen wurde anders. Zuerst fühlte es sich an, als ob ich auf Sand gehe, dann kam ein Kribbeln und irgendwann hatte ich in manchen Zehen kaum noch Gefühl.»
Bei den Behandlungen ist sie nie allein, denn zwei Freundinnen, ihr Partner und andere Familienmitglieder wechseln sich ab und begleiten sie jede Woche. Und in der Onkologie im Spital Langenthal fühlt sie sich gut aufgehoben, bekommt auf jede ihrer Fragen eine Antwort. «Es gab Tage nach der Chemo, an denen ich nur geschlafen habe. An anderen Tagen war ich müde und antriebslos – etwas, das ich von mir selbst überhaupt nicht kenne. Aber an guten Tagen wollte ich aktiv sein, raus gehen, das Leben geniessen. Ich ging mit Freundinnen auf den Markt zum Einkaufen und es war immer jemand da, der sich um mich oder
meine Tochter gekümmert hat.»
«Eine positive Lebenseinstellung ist in einer solchen Situation das Wichtigste.»
Lebensfreude als Rezept
Die Lebensfreude ist Andrea anzusehen. Lange depressive Phasen hatte sie nie. «Sicher gab es Tage, an denen mir ganz elend war, aber ich habe nie wirklich den Kopf hängen lassen. Meine Familie und meine Freunde haben mich unglaublich unterstützt, wofür ich ihnen sehr dankbar bin. Auch meine Chefin und Arbeitskollegen haben einen grossen Teil beigetragen, sodass ich mir um meinen Job, den ich erst kurz vor der Diagnose angefangen hatte, keine Sorgen machen musste. Das ist in der heutigen Zeit nicht selbstverständlich und für mich war es enorm wertvoll, mir darüber keine Gedanken machen zu müssen.»
Heute steht Andrea kurz vor der Bestrahlungs- und der anschliessenden Hormontherapie, um alle Möglichkeiten zu nutzen, damit der Krebs nicht mehr zurückkommt. Und die Prognose ist gut. «Ich lebe heute viel bewusster und meine Gesundheit ist für mich keine Selbstverständlichkeit mehr. Ich schiebe Dinge nicht mehr auf die lange Bank, sondern tue vieles, was mir Freude macht. Über Kleinigkeiten ärgere ich mich nicht mehr und geniesse den Moment.»
Dass dies keine leeren Worte sind, sieht man ihr an, denn in ihrem Leben siegt die Lebensfreude – jeden Tag.