Anabolika schädigen Herzgefässe
Doping ist nicht nur unter Profi- und Leistungssportlern ein verbreiteter Fehlgriff. Auch im Breitensport werden Wirkstoffe konsumiert, um die körperlichen Leistungsmöglichkeiten zu optimieren. «Doch wer Anabolika langfristig einnimmt, riskiert bleibende Schäden der Herzfunktion», sagt Dr. med. Patrick Hilti, Chefarzt Kardiologie.
Ein frühzeitig geschwächtes Herz und Atherosklerose (krankhafte Veränderung von Blutgefässen) können die Langzeitfolge des Konsums von synthetisch hergestellten Testosteronpräparaten zur körperlichen Leistungssteigerung sein. «Die ‹klassischen› Anabolika sind sogenannte Steroidhormone. Sie fördern die Eiweissherstellung in den Muskelzellen und bewirken damit den Aufbau von mehr Muskelmasse. Die Verwendung von anabolen Steroiden und Testosteron führt über eine Stimulation der Eiweiss-Synthese zu einem vermehrten Muskelaufbau, verbunden mit einem Kraftzuwachs. Gleichzeitig wird die Regenerationszeit verkürzt und damit ein höheres Trainingspensum realisierbar», erörtert Patrick Hilti. Im Gespräch macht der Kardiologe auf das gesundheitsgefährdende Potenzial solcher Wirkstoffe aufmerksam. Neben ihrem leistungssteigernden Effekt haben Anabolika zahlreiche Nebenwirkungen. Sie können körperliche Veränderungen auslösen, die nicht mehr rückgängig zu machen sind, und wirken selbst dann noch, wenn sie nicht mehr eingenommen werden. Zudem erschwert die «psychische Abhängigkeit» das Absetzen.
«Zahlenmässig ist der Substanzmissbrauch im Breiten- und Freizeitsport relevanter. 10 bis 20 % der Medikamente zur Leistungssteigerung werden beispielsweise in Fitnesscentern konsmiert», gibt Patrick Hilti zu bedenken. Hinzu kommt der gefährliche Muskelkult bei Teenagern: «Jungs mit imposantem Bizeps und Sixpack.» Die Einnahme ist bei männlichen Jugendlichen mehr als doppelt so häufig wie bei Mädchen.
1998 wurde am Jungfrau-Marathon der Urin von einem Teil der 3000 Läufer getestet: 36,4 % der Proben zeigten die Einnahme von Schmerzmitteln wie Aspirin, Voltaren oder dem Wirkstoff Ibuprofen, die nicht auf der Dopingliste stehen.
«Vor einigen Jahren waren die Dopingmittel schwierig zu bekommen. Heute ermöglicht das Internet eine einfachere Verfügbarkeit sowie eine schnellere und unkompliziertere Beschaffung», argumentiert der Kardiologe. In der Kraftsportszene werden diese Präparate oft unkontrolliert illegal konsumiert. Geschätzt rund 60 % der Bodybuilder greifen zu Hormonen, um schnell Muskelmasse aufzubauen. Patrick Hilti nennt als Beispiel einen 30-jährigen Bodybuilder, der kürzlich mit Herzrhythmusstörungen und schwerer Herzmuskelverdickung im Spital Langenthal hospitalisiert wurde.
Schwerwiegende Auswirkungen auf das Herz
Anabolika verschlechtern die Pumpfunktionen des Herzens und begünstigen die Verkalkung der Herzkranzgefässe. Dadurch steigt die Gefahr, dass die Arterien eingeengt werden und es zu einem Herzinfarkt oder Hirnschlag kommt.
- Die rasche Senkung des schützenden HDL-Cholesterins um 40 bis 70 % und die Erhöhung des schädigenden LDL-Cholesterins bewirken eine Atherosklerose, die zu einem Herzinfarkt oder Hirnschlag führen kann.
- Das Gerinnungssystem aktiviert Thrombosen und damit die Gefahr einer Lungenembolie.
- Die Zunahme der Herzmuskelmasse ohne Zunahme der Kapillaren fördert eine Herzmuskelverdickung. Dadurch besteht das Risiko von Nekrosen (Absterben von Gewebe) und Vernarbungen.
- Der ansteigende Blutdruck kann zu Herzrhythmusstörungen mit plötzlichem Herztod führen.
Weltweiter Antidopingkampf
Der Sport ist einer der wenigen Teilbereiche der Gesellschaft, die Medikamentenmissbrauch ausdrücklich verbieten.
Schlüsselereignis war 1967 der Tod des Radrennfahrers und Weltmeisters Tom Simpson an der Tour de France. Der erst 29-jährige Brite kollabierte am Mont Ventoux. Ein Cocktail aus Amphetaminen, Betäubungsmitteln und Alkohol war der Grund, dass sein Herz unter der grossen Belastung aufgehört hat, zu schlagen. Nach dieser Tragödie erliess der Radsportverband 1967 ein Verbot von Doping.