ADHS und Autismus bei Erwachsenen
Bei Erwachsenen sind sowohl ADHS (Aufmerksamkeitsdefizit- und Hyperaktivitätsstörung) als auch Autismus nicht immer einfach zu diagnostizieren, da die Anzeichen und Ausprägungen der beiden Krankheitsbilder enorm unterschiedlich ausfallen können.
Dr. Christian Lay, Leitender Arzt Psychiatrie, klärt auf: «Bei beiden Krankheitsbildern fühlen Betroffene, dass sie anders sind, dass sie anecken und irgendwie nicht in die Gesellschaft passen ‒ und etliche leiden während vielen Jahren darunter. Leider wird bei leichteren Formen eine Diagnose oft erst im Erwachsenenalter gestellt.»
ADHS ‒ was ist das?
Früher nannte man sie «Hans-Guck-in-die-Luft» oder «Zappelphilipp» ‒ Menschen, die stets unruhig sind, sich ständig bewegen müssen, sich nur schwer konzentrieren und stillsitzen können und dadurch in der Gesellschaft oft anecken. ADHS ist eine Erkrankung, die sich durch Aufmerksamkeitsstörungen, Hyperaktivität und Impulsivität bemerkbar macht. Und ADHS wird vererbt, das heisst, bei Verwandten ersten Grades (Vater, Mutter, Kinder) besteht eine drei- bis fünffach erhöhte Wahrscheinlichkeit, ebenfalls an ADHS zu leiden.
ADHS bei Erwachsenen
Eine permanente innere Unruhe ist stetiger Begleiter, man spielt mit dem Kugelschreiber, dreht sich auf dem Bürostuhl hin und her. ADHS kann bei Erwachsenen zu erheblichen Problemen im täglichen Leben führen, berufl ich wie privat. Diese können sich in Konzentrationsproblemen, Schwierigkeiten in der Partnerschaft oder Organisationsschwierigkeiten zeigen. Kommt dann noch eine Homeoffice-Situation dazu, fehlt auf einmal die bisher gewohnte, feste Struktur im Alltag, was zu weiteren Problemen führen kann. Dazu kommen oft ein erschwertes Einschlafen am Abend und Müdigkeit am Morgen.
Autismus ‒ oft erst spät erkannt
Schwere Formen von Autismus werden in der Regel bereits in der Kindheit diagnostiziert. Leichtere Formen wie z. B. das Asperger-Syndrom, oft erst im Erwachsenenalter. Betroffene merken, dass sie oft Mühe im Umgang mit anderen haben, lieber allein sind, da Menschenansammlungen sie überfordern. Sie können oft nicht unterscheiden, was richtig und was falsch ist, und verstehen Sarkasmus, Humor oder Ironie nur selten.Wenn Betroffene mittels verschiedener Tests endlich eine Diagnose erhalten und wissen,
was mit ihnen los ist, sind sie meist erleichtert, da ihr «Anderssein» endlich einen Namen hat. Durch diese Diagnose erklärt sich oft vieles, was in der Vergangenheit vorgefallen ist, und das Verständnis im direkten Umfeld des Patienten nimmt deutlich zu. Welche Therapieformen gibt es? «Bei beiden Krankheiten, die übrigens auch als Kombination auftreten können, ist es wichtig, mit den Patienten zu besprechen, was diese Krankheit für sie persönlich bedeutet und welche Möglichkeiten es gibt, um gut und mit möglichst wenig Einschränkungen damit leben zu können», erklärt Dr. Lay. «Es gibt sehr wirksame Medikamente, die man gezielt einsetzen kann und die punktuell wirken. Bei beiden Krankheiten ist zudem der Melatoninspiegel zeitlich verschoben, das heisst, die Patienten sind abends nicht müde und kommen morgens kaum aus dem Bett. Hier können Melatonin induzierende Medikamente wieder ein Gleichgewicht schaffen, was gleichzeitig auch die Lebensqualität deutlich erhöht.»
Gespräche führen zu persönlichem Erfolg
Betroff ene Patienten sind zwar in ihrer Art etwas anders, aber sie haben meist irgendwo grosse Begabungen, weiss auch Dr. Lay: «Durch gezielte Gespräche, den Austausch mit anderen Betroffenen und das Üben von sozialen Situationen und Gesprächstraining können Ängste abgebaut und Begabungen entdeckt werden. In Kombination mit den richtigen Medikamenten haben diese Menschen beste Chancen, beruflich und privat ein erfolgreiches und glückliches Leben zu erlangen. Und wir freuen uns, wenn wir sie auf diesem Weg ein Stück begleiten dürfen.»
Was ist Melatonin?
Melatonin ist ein körpereigenes Hormon, das als Zwischenprodukt des Stoffwechsels entsteht. Melatonin wird auch als «Schlafhormon» oder «Sandmännchen-Hormon» bezeichnet. Es wird hauptsächlich in der erbsengrossen Zirbeldrüse, auch Epiphyse genannt, unseres Zwischenhirns ausgeschüttet. Geringe Mengen des Hormons Melatonin werden auch im Verdauungstrakt, auf der Haut und in der Netzhaut des Auges gebildet.