Erste Hilfe rettet Leben

Erste Hilfe rettet jedes Jahr unzählige Leben in der Schweiz. Doch was genau bedeutet es, in einer Notfallsituation richtig zu handeln ? Wir beleuchten, was Laien und Profis konkret tun können, wie es rechtlich aussieht und welche Rolle die Psyche dabei spielt. 
 

Ein Sturz, ein Herzinfarkt oder Atemnot – solche Ereignisse erfordern schnelles und richtiges Handeln. In diesen Situationen kann jeder von uns und dank Erster Hilfe das Schlimmste verhindern. Laut einer Studie von dem Schweizerischen Roten Kreuz und von Helsana gibt es eine hohe Bereitschaft in der Bevölkerung, Erste Hilfe zu leisten. Allerdings reicht das Wissen dazu oft nicht aus, da der letzte Erste-Hilfe-Kurs meist lange zurückliegt. Rund die Hälfte der Befragten ist darum verunsichert über das richtige Vorgehen. Doch bereits kleine Gesten zählen: Den Notruf wählen, jemandem die Hand halten – auch das ist schon Erste Hilfe. Thomas Giger, Co-Leiter Rettungsdienst Emmental-Oberaargau: «Wichtig ist, dass man sich traut, etwas zu tun. Dabei kann man nichts falsch machen. Das beginnt damit, dass man die betroffene Person anspricht.» Viele Menschen verhalten sich im Notfall vorbildlich, betreuen die Person und leisten lebensrettende Sofortmassnahmen. Andere sind mit so einer Situation jedoch komplett überfordert. Und wieder andere reagieren nur mit Gleichgültigkeit. «Je mehr Menschen in der Nähe sind, desto weniger kümmert man sich», so Thomas Giger. 

Die Rettungsdienste der Spital Emmental AG und der Spital Region Oberaargau AG arbeiten seit Beginn des Jahres als Rettungsdienst Emmental-Oberaargau zusammen. Gemeinsam setzen sie so den Leistungsauftrag der Gesundheits-, Sozial- und Integrationsdirektion des Kantons Bern (GSI) um. Im Rahmen des von der GSI geplanten 4+-Regionen-Modells sind die beiden Spitäler die ersten, die ihre Rettungsdienste in diesem Rahmen neu organisieren. 

 

Wer hilft, kann nicht belangt werden
In der Schweiz besteht eine Hilfspflicht, Menschen in Lebensgefahr zu helfen. Ausnahme: Falls die Hilfeleistung den Umständen nach nicht zumutbar wäre (z. B. Wasserrettung für einen Nichtschwimmer).
Personen, die in gutem Glauben Erste Hilfe leisten, werden bei Schäden, die dabei entstehen können, nicht haftbar gemacht. Es sei denn, sie handeln grob fahrlässig oder vorsätzlich. Manchmal kommt es leider auch vor, dass der Rettungsdienst an seiner Arbeit gehindert wird. «Sei es, dass Automobilisten kein Verständnis haben, wenn wir einen Unfallort zu unserer Sicherheit absperren. Oder dass uns Leute im Weg stehen, die ohne Respekt alles filmen. Das ist sehr unangenehm», so Thomas Giger. 

Einsätze gehen auch den Profis nahe
Erste Hilfe leisten bedeutet oft, unter Druck zu handeln. Das kann zu Stress und Traumata führen. Wie verarbeiten Rettungsprofis die belastenden Erlebnisse, etwa bei schweren Unfällen? «Abgebrüht sind wir dadurch nicht, Einsätze können auch uns nahegehen. Doch man gewöhnt sich daran, gewinnt an Erfahrung und entwickelt eine professionelle Distanz», sagt Thomas Giger. «Schwierige Einsätze, die zum Glück selten vorkommen, besprechen wir primär im Team.» Zudem kann der Rettungsdienst auf die Hilfe des Peer-Teams des SRO zurückgreifen. «Dennoch ist auch in  unserem Team nie auszuschliessen, dass man einmal einen Einsatz erlebt oder auf eine Situation trifft, die einen nachhaltig belastet.»  Für die Bevölkerung leistet das Care Team Kanton Bern psychologische und seelsorgerliche Erste Hilfe bei traumatisierenden Ereignissen, Katastrophen oder Notlagen. Das Team kann jedoch nur durch die Polizei, die Rettungsdienste oder die Feuerwehren zur Unterstützung angefordert werden.  

Jeder kann Rettungssanitäter werden
Im Prinzip kann jeder den Beruf des Rettungssanitäters lernen. Beim Rettungsdienst SRO hat man denn auch – im  Gegensatz zu anderen Rettungsdiensten in der Schweiz – zurzeit keine Personalprobleme. Die zentrale Lage und das abwechslungsreiche Einsatzgebiet tragen dazu bei. Wer nicht selber Rettungssanitäter werden will, kann sich dennoch auf solche Situationen vorbereiten: Ein Kurs in Erster Hilfe gibt Sicherheit und das nötige Wissen. Erste-Hilfe-Apps und Blended Learning, eine Kombination aus Online und Präsenzkursen, erleichtern das Helfen zusätzlich. Würde das jeder von uns tun, wäre das für Thomas Giger die ideale Situation, wenn er bei einem Einsatz vor Ort eintrifft: «Dann würde bereits jemand die betroffene Person betreuen und erste lebensrettende Sofortmassnahmen leisten.» Wir alle haben es in der Hand, dass diese Vision wahr wird. Denn das nötige Wissen und die Bereitschaft, zu helfen, machen den lebensrettenden Unterschied.

Notfallzentrum: wirksame Hilfe, wenn es zählt

Das SRO ist auch da, wenn es um Erste Hilfe geht: Im eigenen Notfallzentrum leistet ein Team aus Fachpersonen nach Unfällen und plötzlichen Krankheiten wertvolle medizinische Hilfe. Und dies Tag und Nacht – bei über 25 000 Notfällen pro Jahr. Hier erfahren Sie, wie das genau funktioniert und mit welchen Herausforderungen das verbunden ist. 

Ein tiefer Schnitt, hohes Fieber, ein Armbruch oder ein Hitzschlag: Kleine oder grössere Unfälle und Krankheiten können jedem passieren. Genau für solche Fälle ist das Team des Notfallzentrums im Spital Langenthal da. Rund um die Uhr – an 365 Tagen im Jahr. Behandelt werden die Notfallpatienten auf der Notfallstation, dem Fast-Track, der Notfallpraxis und dem Notfall-Ambulatorium. 

Das Notfallzentrum hilft allen
Das Notfallzentrum gewährleistet die erste medizinische Grundversorgung für die Einwohner des Oberaargaus und von angrenzenden Regionen. Was heisst das konkret? Dazu Dr. med. Damian Rüsges, Chefarzt Notfallzentrum: «Als öffentliches Spital sind wir im Notfall für alle da und weisen niemanden ab.» Die Notfallpatienten werden entweder durch den Rettungsdienst (etwa jeder sechste) eingeliefert, durch den Hausarzt oder den Spezialisten zugewiesen (etwa jeder fünfte) oder melden sich selber. Dabei stehen auch immer wieder Leute ohne Voranmeldung im Notfall. Florian Schwander, Fachexperte Notfallzentrum: «Wir sind darum dankbar für eine telefonische Voranmeldung. So können wir besser planen und am Telefon gleich eine erste Beratung durchführen. Bei einfachen Fällen lässt sich so oft ein Besuch vermeiden, zum Beispiel bei Halsweh. Da können wir am Telefon Tipps zur Selbstmedikation geben.»

An die Medikamentenliste denken
Beim Eintreffen eines Patienten auf dem Notfall werden zuerst die Personalien aufgenommen. Florian Schwander: «Wir sind froh, wenn die Patienten ihre Medikamentenliste dabeihaben.» Nach der administrativen Aufnahme erfolgt eine Einschätzung der Dringlichkeit (Triage) durch eine erfahrene Pflegefachperson. Sie legt den weiteren Weg der Behandlung fest. Wichtig dabei: Die Behandlung und die Untersuchung erfolgen nicht nach Eintrittszeit, sondern nach Dringlichkeit. Je schwerer verletzt oder krank eine Person ist, desto schneller wird sie betreut und behandelt. Je dringender ein Fall ist, desto schneller kommt ein Arzt. 

Leidiges Thema: Wartezeiten
Die Anzahl Patienten auf der Notfallstation ist nicht planbar. Deshalb kommt es immer wieder zu Wartezeiten. Einer von mehreren Gründen dafür ist auch die sinkende Zahl der Hausärzte. Deshalb nutzen immer mehr Patienten den Notfall. 2022 verzeichnete das Notfallzentrum einen Rekordansturm, das hat sich 2023 auf ähnlichem Niveau stabilisiert. Die Erwartungshaltung der Patienten, dass man möglichst sofort behandelt wird, nimmt gleichzeitig zu. Und das Verständnis für Wartezeiten sinkt. Umso wichtiger ist da der Hinweis vom Leitenden Arzt Dr. med. Victor Speidel: «Auch wenn es zu Wartezeiten kommen kann – unser oberstes Ziel ist es immer, alle möglichst schnell zu behandeln.»

Top-Diagnostik vor Ort 
Besonders bei schweren Fällen arbeiten Rettungsdienst und Notfallzentrum bei der Übergabe Hand in Hand. Im Notfall übernehmen dabei immer mindestens eine Pflegefachperson und ein Arzt den Patienten. Es können aber auch bis zu acht Fachpersonen vor Ort sein. Ein Vorteil ist dabei, dass das Notfallzentrum über viele Möglichkeiten in der Diagnostik und Ressourcen verfügt. «Wenn ein Notfall extern passiert, kommen wir im Notfallzentrum oft erst relativ spät dazu. Wir profitieren vom Erstkontakt des Rettungsdienstes, des Hausarztes oder von anderen Helfenden, die schon viel in die Wege leiten», so Damian Rüsges.

Starke Erfolgsbilanz
Nach der Akutbehandlung leiten die Fachleute im Notfallzentrum bei Bedarf weitere Massnahmen und Behandlungen ein. Wie es genau weitergeht, entscheiden Arzt und Patient gemeinsam. Und wie ist die Bilanz des Notfallzentrums? Dazu Chefarzt Damian Rüsges: «Über zwei Drittel unserer Patienten können nach ihrem Besuch bei uns wieder nach Hause – ihr akutes Problem ist dann in der Regel behoben.» Eine starke Leistung, die der ganzen Bevölkerung zugutekommt.

 

Text: René Moor, moortext.ch
Fotos: Manuel Stettler, stettlerphotography.ch

Das können Sie im Notfall tun

• Herz-Kreislauf-Stillstand: Notruf wählen und mit der Herzdruckmassage beginnen oder schalten Sie den Defibrillator ein und befolgen Sie die Anweisungen, bisHilfe kommt.
• Verbrennungen: Sofort mit lauwarmem Wasser kühlen. Eis, Butter oder Öle vermeiden.
• Schnittwunden: Leichte Blutungen durch Druck und Hochhalten des betroffenen Bereichs stoppen.
• Knochenbrüche: Die betroffene Stelle in einer festen Position halten, fixieren und möglichst nicht bewegen, bis professionelle Hilfe kommt.
• Vergiftungen: Giftquelle identifizieren und Notruf wählen. Kein Erbrechen herbeiführen, ausser, es wird vom medizinischen Personal empfohlen.
• Hitzschlag/Sonnenstich: Person in kühlen Bereich bringen, enge Kleidung lockern und Wasser reichen.

Mehr unter: www.samariter.ch/de/erste-hilfe

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