Erste Hilfe nach traumatischen Erlebnissen

Im Spital Langenthal steht niemand allein da. Das Peer-Team, bestehend aus Fachleuten verschiedener Abteilungen, bietet nach belastenden Ereignissen Unterstützung und sorgt für das Wohlbefinden der Mitarbeitenden.

Stellen Sie sich vor: Ein Vater betritt den Notfall, sein schwer verletztes Kind im Arm. Eine Situation, die für das Personal des Spitals Langenthal Realität sein kann. Solche Momente hinterlassen Spuren. Hier setzt das Peer-Team des SRO ein.

Das Spital Langenthal hat ein System geschaffen, in dem sich Mitarbeitende gegenseitig unterstützen. Gerade nach dramatischen Ereignissen wie Reanimationen von Kindern, ungewöhnlichen Todesfällen oder Suiziden ist dies essenziell. Dies gilt auch für andere Geschehnisse, die alle Mitarbeitenden im SRO treffen können. Das neunköpfige Peer-Team setzt sich aus Mitarbeitenden aus verschiedenen Bereichen zusammen – vom Rettungsdienst über die Psychologie bis hin zur Seelsorge. Andrea Schüpbach, Dipl. Pflegefachfrau HF Notfall, ist eine davon. So wie sie ist jedes Mitglied notfallpsychologisch ausgebildet und qualifiziert, sowohl Einzel- als auch Gruppenbetreuungen zu leiten. Das Angebot des Peer-Teams umfasst die Prävention gegen posttraumatische Belastungsstörungen, strukturierte Gespräche und bei Bedarf die Vermittlung professioneller Hilfe.

Klar strukturierter Ablauf
Bei Bedarf meldet sich das Personal nach einem belastenden Ereignis bei der Spitalzentrale. Danach kommt es zu einer Konferenzschaltung innerhalb des Peer-Teams. «Dabei entscheiden wir über das weitere Vorgehen und wer was macht», so Simone Jenzer, Dipl. Pflegefachfrau HF Notfall und Mitglied des Peer-Teams. In Gruppensituationen sind immer drei Mitglieder des Peer-Teams anwesend. Wichtig ist ein schnelles, aber bedachtes Eingreifen. Die klar strukturierten Gespräche finden in einem neutralen Raum statt, fernab des Geschehens. Es geht dabei nicht um Fachliches, sondern um das Stabilisieren, die Akzeptanz, die Förderung des Verstehens und die Normalisierung von Reaktionen auf das geschehene Ereignis. Ein solches Erstgespräch dauert meist zwischen 60 und 90 Minuten.

«Unsere Hilfe zu  holen, ist ein Zeichen der Stärke und der erste Schritt, um so ein Ereignis zu verarbeiten.» Andrea Schüpbach

Für alle Mitarbeitenden da
Starke Reaktionen und Gefühle nach dramatischen Ereignissen sind normal. Nervosität, Gereiztheit, Ängstlichkeit, Schlafstörungen – all das sind Reaktionen, die das Peer-Team kennt und auffangen hilft. Es  bietet einen geschützten Rahmen, in dem sich die Betroffenen öffnen und gemeinsam einen Weg durch die Krise finden können. Natürlich bei absoluter Diskretion.

Eines ist den beiden dabei ganz wichtig: «Das Peer-Team ist für alle Mitarbeitenden im Spital da. Also nicht nur fürs Gesundheitspersonal, sondern auch für die kaufmännischen Mitarbeitenden, das Putzpersonal oder die Mitarbeitenden in der Wäscherei.» 

Die Gründung des SRO-internen Peer-Teams erfolgte 2012 nach einem regionalen Zugsunglück, bei dem das betreuende Spitalpersonal stark belastet war. Seitdem hat das Peer-Team eine wichtige Rolle im Spitalalltag. Es leistet 15 bis 20 Betreuungen pro Jahr. Dabei steht das Team im engen Austausch und trifft sich regelmässig zu Supervisionen und Weiterbildungen. Und nach geleisteter Arbeit auch mal zu einem «Peer-Bier» in entspannter Atmosphäre. 

Wertvoll für alle Mitarbeitenden
Die Erfahrung zeigt: Das Peer-Team im SRO ist mehr als nur eine Unterstützung. Es ist ein Zeichen der Zusammengehörigkeit und Fürsorge in einem Berufsfeld, das täglich Höchstleistungen fordert. Es zeigt, dass im Spital Langenthal niemand allein gelassen wird – eine wertvolle Ressource für alle Mitarbeitenden.  

 

Ein dramatisches Ereignis erlebt? Das können Sie danach für sich selbst tun:
• Ausreichend schlafen, essen und trinken
• Gewohnten Tages- und Wochenrhythmus beibehalten
• Verzicht auf Alkohol und Suchtmittel
• Gespräche mit vertrauten Personen führen
• Sich Zeit für die Verarbeitung nehmen 
• Tätigkeiten nachgehen, die Freude machen

Mehr unter: www.samariter.ch/de/erste-hilfe

 

Text: René Moor, moortext.ch 
Fotos: Manuel Stettler, stettlerphotography.ch

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