Auf dem Weg zum Facharzt
Ohne Assistenzärzte würde ein Spital heute kaum mehr funktionieren, denn sie übernehmen eine wichtige Rolle auf den Stationen, im Notfall und in den Fachbereichen. Doch es ist ein langer Weg vom Studenten zum Facharzt – vor allem ist es eine Zeit des Lernens. Welchen Stellenwert eine gute Ausbildung der Assistenzärzte im Spital Langenthal hat, erklärt der Ärztliche Direktor und Chefarzt Chirurgie, Dr. med. Thomas Kinsbergen.
Im Durchschnitt arbeiten 55 bis 60 Assistenzärzte im Spital Langenthal. Viele von ihnen haben bereits während des Studiums entweder ein Blockpraktikum oder das Wahljahrpraktikum hier absolviert, wie Dr. med. Thomas Kinsbergen weiss: «Die meisten Assistenzärzte in der Chirurgie bekommen bereits während ihrer Praktika eine Zusage für eine Assistenzarztstelle. Die restlichen Assistenzärzte bewerben sich oft bei uns, weil sie jemanden kennen, dem es hier sehr gut gefallen hat. Das ist natürlich ein schönes Zeugnis für uns.»
In der Regel bleiben die Assistenzärzte ein oder zwei Jahre in der SRO AG. In dieser Zeit gilt es, ihnen möglichst viel Fachwissen sowie die notwendige praktische Erfahrung zu vermitteln. Thomas Kinsbergen: «Am Anfang werden die Assistenten, die direkt nach dem Staatsexamen zu uns kommen, vor allem in den administrativen Belangen von den Assistenzärzten begleitet, die schon etwas länger hier sind. Die fachliche Begleitung übernehmen die Kaderärzte. So werden täglich alle Patientenakten mit den Assistenten besprochen, sodass sowohl die Kaderärzte wie auch die Assistenzärzte stets auf dem neusten Stand sind. Man tauscht sich aus, beantwortet Fragen und erläutert und bespricht medizinische Details.»
Lernen, lernen, lernen ...
In der Zeit, in der die Assistenzärzte im Spital Langenthal sind, sollen sie möglichst viel lernen, damit sie nicht nur Wissen, sondern auch die entsprechende fachliche Erfahrung sammeln können. Der Chefarzt erklärt: «Während ein Assistenzarzt, der den Facharzt Innere Medizin anstrebt, gerne länger auf der Notfallstation ist und anschliessend vielleicht noch die Bereiche HNO und Urologie wählt, ist es für Assistenzärzte, die Chirurgen werden wollen, wichtiger, dass sie auf der Abteilung sind und insbesondere auch im Operationsbereich erste Erfahrungen sammeln können. Hier assistieren sie den Kaderärzten und lernen durch das Zuschauen. Nach und nach übernehmen sie dann kleinere Eingriffe als Operateure, während der Kaderarzt assistiert und alles überwacht.»
Ein Team auf Augenhöhe
Was im Spital Langenthal auffällt, ist das Miteinander im Team, wie Dr. Kinsbergen betont: «Mir ist es wichtig, dass mit allen auf Augenhöhe umgegangen wird, und zwar nicht nur unter den Ärzten, sondern auch mit dem Personal auf dem Notfall, im Operationsbereich oder auf der Station. Gerade junge Menschen sollen jederzeit Fragen stellen können und dürfen keine Angst vor Fehlern haben. Niemand ist perfekt und man muss aus Fehlern lernen können. Daher ist diese Zusammenarbeit im Team auf Augenhöhe auch so wichtig.» Genauso wichtig ist es auch, die Karriere und die Ziele frühzeitig zu besprechen, denn nicht jeder Assistenzarzt, der gerne Chirurg werden möchte, ist für die Chirurgieauch geeignet. In einem solchen Fall muss man gemeinsam schauen, welches Fachgebiet geeigneter wäre.
Verschiedene Generationen
Thomas Kinsbergen arbeitet bereits das 19. Jahr als Leiter der Chirurgie im Spital Langenthal und hat viele Generationen von Assistenzärzten erlebt, was einen im Geist auch jung hält, wie er versichert: «Die Zusammenarbeit mit jungen Menschen macht mir sehr grosse Freude, denn die Entwicklung ist oft deutlich sichtbar. Man sieht, dass sie gut betreut werden und wirklich etwas gelernt haben in der Zeit bei uns. Wir haben als Spital diesen Weiterbildungsauftrag und unser Wunsch ist es auch, jemanden so auszubilden, dass dieser Erfolg sichtbar ist.» Auch das Verhalten im Team und die direkte Zusammenarbeit sind wichtig, wie der Chefarzt betont, denn Ärzte sollten keine Einzelkämpfer sein. Und wenn man den jungen Ärzten nebst dem Fachwissen auch die notwendige Sozialkompetenz im Umgang mit den Patienten vermitteln kann, hat man ein grosses Ziel erreicht.
Vielseitigkeit in der Ausbildung Innere Medizin
Etwas mehr als 18 Monate ist Elodie Hersperger bereits als Assistenzärztin auf der Inneren Medizin tätig. «Bevor ich mich für das Spital Langenthal entschieden habe, durfte ich bereits während des Medizinstudiums im Rahmen der Unterassistenzzeitviele Spitäler anschauen. Was mir hier sehr zugesagt hat, ist die grosse Bandbreite der Ausbildung, die man in zwei Jahren durchläuft. Man sammelt jeweils zwei bis drei Monate Erfahrung auf der Station, auf dem Notfall und auf der Intensivstation. Weiterhin gibt es die Möglichkeit, Erfahrung auf einer Rotation von drei Monaten in Dialyse, Geriatrie, Radiologie sowie in einer Hausarztpraxis zu sammeln», erzählt die 27-jährige Assistenzärztin.
Eine so intensive und abwechslungsreiche Ausbildung fordert aber auch viel: «Gerade der Anfang ist etwas schwierig, wenn man 50 Stunden pro Woche arbeitet und dann während der Freizeit noch vieles nachlesen oder für Weiterbildungen vorbereiten muss, denn auch dies ist Teil unserer Ausbildung. Wir sind zwar nach dem Staatsexamen Ärzte, müssen aber als Assistenz-ärzte bis zum Facharzt noch enorm viel in der Praxis lernen.» Doch mit der Zeit fällt einem vieles leichter und man lernt auch, Verantwortung zu übernehmen, wie die junge Assistenzärztin weiss: «Natürlich sind im Hintergrund stets die Kaderärzte, die unsere Entscheidungen prüfen, denn das Wohl der Patienten steht immer im Fokus.»
Die gute Zusammenarbeit zwischen den Assistenz- und den Kaderärzten schätzt Elodie Hersperger sehr: «Die Kaderärzte sind gern bereit, Fragen zu beantworten und neues Wissen zu vermitteln. Ebenfalls ist die Zusammenarbeit mit anderen Bereichen wie der Chirurgie sehr gut, da wir ein eher kleines Spital sind und man sich kennt.» Auch die Frage, ob sie das Spital Langenthal anderen Assistenzärzten weiterempfehlen würde, beantwortet Elodie Hersperger klar: «Unbedingt! Ich bin dankbar, Teil eines tollen Teams sein zu dürfen, das auf sehr hohem Niveau arbeitet.»
«Was mir hier sehr zugesagt hat, ist die grosse Bandbreite der Ausbildung.»
Anspruchsvolle Ausbildung in der Chirurgie
Dass Yves Hayoz seit Januar 2023 als Assistenzarzt in der Chirurgie im Spital Langenthal tätig ist, ist kein Zufall: «Ich war bereits während meines Studiums zweimal hier. Für mich war klar, dass ich nach meinem Staatsexamen wieder nach Langenthal wollte, da ich mich hier gut betreut gefühlt habe.» Ein grosser Vorteil sind das relativ kleine, aber sehr kompetente Team in der Chirurgie und die sehr enge Zusammenarbeit mit den Kaderärzten, wie Yves Hayoz betont: «Dadurch ist es uns möglich, bestimmte notwendige Fähigkeiten und Fertigkeiten intensiver zu erlernen, was auch ein Stück weit unsere Selbstständigkeit fördert. Trotzdem ist die Unterstützung der Kaderärzte jederzeit verfügbar, denn gerade am Anfang agiert ein Assistenzarzt nie allein.»
Ein weiteres grosses Plus liegt in der Vielfalt der Ausbildung. Denn die Assistenzärzte sammeln ihre Erfahrung jeweils mehrere Wochen oder Monate auch im Notfall, in der Orthopädie, der Urologie und dem HNO-Bereich. Yves Hayoz: «Wenn jemand Hausarzt werden möchte, ist dies ein enormer Vorteil, da man in diesen Bereichen extrem viel an Wissen mitnehmen kann.» Und natürlich kommt als künftiger Chirurg auch die Ausbildung im Operationssaal nicht zu kurz: Während man am Anfang primär als Assistent mitarbeitet, lernt man nach und nach die Abläufe und die Handgriffe des Operateurs kennen. Yves Hayoz erklärt: «So werden wir langsam an erste kleine Eingriffe herangeführt, die wir unter den stets wachsamen Augen der Kaderärzte durchführen können. Denn ein Assistent operiert niemals ohne Kaderarzt an seiner Seite. Dies gibt uns viel Sicherheit und auch die notwendige Erfahrung, um eines Tages ebenfalls gute Fachärzte zu werden.»
«Für mich war klar, dass ich nach meinem Staatsexamen wieder nach Langenthal wollte.»
Text: Nathalie Beck
Fotos: Manuel Stettler, stettlerphotography.ch